Reclock und der gute Ton: Wie ein unscheinbarer Audio-Filter den Heimkino-Klang korrigiert

Korrekter Ton im Heimkino: Pal-Speedup-Reverse mit Reclock

Hintergrund

Wir haben in der Vergangenheit schon häufig über den Einsatz eines Personal-Computers als Zuspieler für eine hochwertige Heimkino-Anlage berichtet. Längst ist ein HTPC (Home Theater PC, auch 'Heimkino-PC') in einem wohnzimmer-tauglichen Gehäuse und aufgebaut aus leisen PC-Komponenten nichts Exotisches mehr. Eine besonders interessante Optimierungsmöglichkeit eines gut konfigurierten HTPC ergibt sich im Zusammenhang der Korrektur von verfälschten PAL-Tonspuren.


HTPC in Verstärker-ähnlichem Gehäuse mit integriertem Display und aus leisen PC-Bauteilen zur Integration in die bestehende Hifi- bzw. Heimkino-Anlage

Weltweit gibt es zwei große Video-Normen, nämlich PAL und NTSC, die das Zeitalter der DVD überlebt haben und - wie es den Anschein hat - auch im HDTV-Zeitalter weiter verbindlich sind. Die eine Video-Norm, die für ganz Nordamerika sowie Japan wie auch weitere große Teile Asiens gilt, ist das NTSC-System, das auf 60 Bildern (genauer fields oder auch Halbbildern) basiert. Europa dagegen sowie Australien folgen dem PAL-Standard, der auf 50 (Halb-)Bildern, d.h. in der 'progressiven' Variante entsprechend auf 25 Ganzbildern pro Sekunde aufbaut.

Von den Anfängen des Fernsehens an war es ein Grundproblem, wie sich (Kino-)Filme in die jeweiligen Fernsehnormen übertragen lassen. Film basiert nämlich auf 24 Bildern pro Sekunde (auch frames per second kurz fps). Weder zu 50 Bildern/s noch zu 60 Bildern/s gibt es ganzzahlige Teiler für die 24 fps des Kino-Films. Bei NTSC behilft man sich beim 'Herunterziehen' ('Pulldown') von Film auf Video seit Urzeiten mit dem sogenannten 3:2-Pulldown, bei dem von den 24fps jeder Frame (eigentlich sind es Halbbilder, dies ist für die Argumentation hier aber unerheblich) abwechselnd verdreifacht und verdoppelt wird (daher 3:2-Pulldown). Somit ergeben sich 12x3 = 36 plus 12 x 2 = 24, also 36+24 = 60 Hz. Die Originalgeschwindigkeit des Filmmasters bleibt beim 3:2-Pulldown erhalten. Dadurch wird der Ton nicht verändert!

Anders ist das Verfahren bei PAL: Dort muss von 24 auf 50 Bilder pro Sekunde (motiviert durch die europäische 50Hz-Netzfrequenz) umgewandelt werden. Die 'Urväter' von PAL hatten hier eine Idee, die sich gemessen an heutigen Qualitätsansprüchen als fatal erweist: Da die Tonstandards damals offenbar etwas großzügiger betrachtet wurden, entschied man sich, von 24 auf 25fps zu beschleunigen unter gleichzeitiger Anhebung der Tonhöhe um 4 %. Dies hat nun historisch gesehen die fatale Konsequenz, dass bis heute der Ton im Kino und im Heimkino, in dem PAL zum Einsatz kommt, ganze 4% oder fast einen echten musikalischen Halbton auseinanderliegen! Selbst für antiquierte Hifi-Maßstäbe ist dies eine immense Abweichung.

Bis heute bietet kein Hersteller eine Lösung für dieses Problem an. Das Problem wird einfach 'totgeschwiegen'. Doch der Heimkino-PC erlaubt es, Defizite von Standard-DVD-Playern auszugleichen.

Praktische Umsetzung mit Reclock

Reclock ist ein Audio-Filter (Audio-Renderer), der ursprünglich zur quartzgenauen Synchronisation von Graphikkarten und Soundkarten für den Heimkino-PC entwickelt wurde. Mit Reclock gelingt es zunächst, geringe Abweichungen, etwa durch Unterschiede der beiden Quartze in Sound- und Graphikkarte, dynamisch auszugleichen, ohne auf Framedrops angewiesen zu sein. Framedrops fallen durch ihre scheinbare Zufälligkeit als unangenehmes 'Ruckeln' auf. Wir haben darüber in einer früherer Audiovision berichtet. Mittlerweile liegt Reclock in der Version 1.5 (beta) vor. Reclock ist allerdings kein Anwendungsprogramm, dass selbständig arbeiten kann. Es muss in bestehende Audio-Video-Wiedergabe-Programme eingebaut werden.


Zoom-Player Fensteransicht

Das beste Interface, um Reclock als Modul in eine DVD- oder sonstige Video-Wiedergabe-Funktion einzubauen, ist ZOOM-Player (www.inmatrix.com). Unter der Einstellung DVD-Optionen im erweiterten Menü von ZOOM-Player lassen sich die entsprechenden Module bequem kombinieren und aktivieren.


DVD-Options-Fenster von ZOOM-Player

Als Hauptmodule für Bild- und Tonwiedergabe sind in unserem Beispiel die Intervideo-Filter gewählt. Reclock ist zusätzlich als dasjenige Modul aktiviert, das letztlich den Ton auf dem Ausgabegerät (der Soundkarte) ausgibt (engl. Fachterminus: to render).

Eine spezifische Kombination aus Video/Audio-Filtern und Video/Audio-Renderern nennt sich im Jargon 'Graph'. Im laufenden Betrieb lassen sich die einzelnen Module (Filter) des aktiven Graphen auch noch weiter konfigurieren und an die Gegebenheiten anpassen. Dazu greift man im Zoom-Player bei laufendem Betrieb per Kontextmenü (rechte Maustaste) auf den Menüpunkt 'Filter-Optionen' zu (nächste Abbildung).


Die Filter werden am Besten bei laufendem Betrieb konfiguriert

Wählt man unter Filter Optionen den Menüpunkt Reclock Audio Renderer, dann erhält man Folgendes:


Konfiguration von Reclock durch das Hauptanwendungsfenster von Reclock

Das Hauptanwendungsfenster zeigt an einem konkreten Beispiel die elementaren Eigenschaften des gerade abgespielten Video-Stroms (Media infos, in diesem Fall für NTSC-Video). Vordergründig dient Reclock - wie gesagt - dazu, mittels Korrektur der 'Audio Clock' Graphikkarte und Soundkarte miteinander zu synchronisieren, wodurch das gefürchtete 'Ruckeln' eliminiert wird.

Reclock kann aber viel mehr als Ruckeln beim Kino-PC eliminieren. Reclock hilft auch dabei, den Ton zu optimieren. Vor allem beim europäischen PAL-System ist dies - wie eingangs erläutert - von großer Bedeutung. Wie in der nächsten Abbildung zu sehen ist, entpricht bei PAL der (progressive) Videostream einer Bildwiederholrate von 25 fps. Dieser Wert bleibt im System erhalten, da er auf der DVD oder einem anderen PAL-Datenträger fest durch die Norm verankert ist. Beim Abspielen besteht aber jetzt mit Hilfe von Reclock im Menüpunkt Media adaptation die Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu drosseln, und auf die (korrekten) 24fps von Film herunterzuschalten. Wie in der nächsten Abbildung zu sehen ist, folgt dabei die Tonhöhe der Bildgeschwindigkeit um 4% nach unten (pitch x0.96).


Korrektur des Tons um 4% (pitch x0.96) bei einem PAL-Videostrom

 

Im Übrigen dauern die auf DVD abgespielten Filme nach der Korrektur auch wieder genauso lang wie im Kino. Ein 100 Minuten Film dauert also wieder 100 Minuten und nicht plötzlich nur 96 Minuten. So mancher hatte schon durch die verkürzte Laufzeit fälschlicherweise die FSK-Stelle in Verdacht, entsprechend 'zensierend' eingegriffen zu haben.

Die Angabe rechts oben im Reclock-Fenster 'Video hardware' zeigt übrigens die aktuell eingestellte Bildwiederholrate bei der Ausgabe durch die Graphikkarte (DVI- oder RGB-Ausgang).Für die Korrektur des Tones ist zwar sekundär, welchen Wert die Ziel-Bildwiederholrate aufweist. Viele billigere Projektoren können nämlich auch heute immer noch keine Bildwiederholraten optimal darstellen, die Vielfache von 24Hz sind (in der Regel 48Hz). 48Hz wäre aber die optimierte Bildwiederholrate für Film-basierte Video-Ströme, und zwar unabhängig davon, ob es sich um NTSC oder PAL handelt (denn der 24fps-Standard bei Film ist ja unabhängig festgelegt). Auch in einem professionellen Kino werden Filme mit 48 Bildern/Sekunde dargestellt. Jedes Bild wird einfach zweimal ganz kurz hintereinander angezeigt, wodurch sich auch das Großbild-Flackern im Kino reduziert. Flackern ist bei digitalen Projektoren natürlich kein Problem, aber durch das ganzzahlige Vielfache von 24 vermeidet man irgendwelche 3:2-Artefakte (s.o.) oder dergleichen. Nur ganzzahlige Vielfache der tatsächlichen Abspielgeschwindigkeit ergeben gleichmäßig glatte Schwenks im Film.

In einem weiteren Beitrag werden wir uns erneut ausführlicher mit dem Software-Tool 'Powerstrip' auseinandersetzen, das dazu dient, beispielsweise eine Anpassung der Bildwiederholrate statt auf 60Hz (leider immer noch der Quasi-Standard in der PC-Welt) auf 48Hz zu ermöglichen. Da 48Hz das zweifache der per Reclock eingestellten 24fps ist, wäre dies optimal, während 60Hz die beschriebenen 3:2-Artefakte zeigt.

Zusammenfassung:

Mit dem beschriebenen Verfahren gelingt es, prinzipielle Schwächen des PAL-Systems in Bezug auf Klangkorrektheit ('PAL-Speedup') bei Film-Reproduktion rückgängig zu machen. Wir nennen das 'PAL-Speedup-Reverse'.

Die beschriebene Methode der Tonhöhenanpassung mittels des Audio-Renderers 'Reclock' funktioniert allerdings nur dann, wenn der Ton (in der Regel Dolby-Digital-Mehrkanal) bereits im Kino-PC dekodiert wird und analog über eine Mehrkanal-fähige Soundkarte ausgegeben wird. Eine digitale Ausgabe ist nach der Korrektur erst mal nicht sofort möglich.*

Da es aber am heutigen PC-Markt eine Vielzahl gut klingender Mehr-Kanal-Audio-Karten gibt, sollten hier keine größeren Probleme entstehen.

Voraussetzungen

Hardware

PC mit mittlerer CPU-Ausstattung

DVD-Laufwerk

Mehrkanal-Soundkarte

Surroundanlage, die sich analog ansteuern lässt, z.B. DolbyDigital-Receiver mit 5.1-Analog-Eingängen oder 5.1 diskrete Endstufen.

Graphikkarte mit variabler Bildwiederholrate (z.B. Radeon- oder GeForce-basiert)

Software

Windows XP

Reclock Audio-Renderer

ZOOM-Player

WinDVD- oder PowerDVD-Filter

Wichtige Web-Adressen:

http://www.kino-pc.de Homepage des Autors Christoph Lehner

http://reclock.free.fr Alles zu Reclock, inkl. aktuelle Version

http://www.intervideo.com WinDVD

http://www.gocyberlink.com PowerDVD

http://www.inmatrix.com Homepage des ZOOM-Players

http://www.entechtaiwan.com Homepage von Powerstrip


* Ein ausführliche Erklärung, warum digitale korrigierte Ausgabe ohne Weiteres nicht möglich ist, kann in dieser Kürze nicht erfolgen. Im Prinzip würde das aber auch funktionieren, indem man einen AC3-Filter ins System integriert, um den korrigierten Ton wieder digital zu resampeln.