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Der Heimkino-PC lädt zu Kabinettsstückchen ein: Künstliche Anamorphisierung
 
 

Seit der Einführung des DVD-Standards besteht ein besonderer Vorzug dieses digitalen Bildträgers darin, dass ein sogenanntes anamorphes Mastering vorgenommen und auf der DVD gewinnbringend eingesetzt werden kann. Beim anamorphen Mastering von Breitwand-Filmen wird bekanntermaßen die gesamte verfügbare Auflösung von 576x720 Pixeln (PAL) bzw. 480x720 Pixeln (NTSC) ausgenützt. Bei nicht-anamorphen Titeln wird ein mehr oder weniger großer Teil der Auflösung durch schwarze Balken verschwendet. 99% der neueren Kino-Filme sind im Breitwand-Format konzipiert. Aus Gründen der Einfachheit lassen wir einmal den Spezialfall von Filmen im kleineren Seitenverhältnis als 1,78:1 für die weiteren Überlegungen beiseite (obwohl es in diesen Fällen entsprechend funktioniert, nur dass noch schwarze Balken links und rechts berücksichtigt werden müssen).

Was ist nun das größte Ärgernis für den passionierten DVD-Fan? Richtig: Der Lieblingsfilm ist nicht-anamorph oder liegt sogar im 4:3-Format vor. Besonders ärgerlich ist die Angelegenheit für Fans einer anamorphen Vorsatzlinse wie beispielsweise der ISCO-II-Linse. Die anamorphe Linse macht für vergleichsweise wenig Geld aus einem digitalen 4:3-Projektor einen 16:9 Projektor, indem das 4:3-Panel optisch um 33% horizontal gestreckt wird. Dadurch wird eine höhere vertikale Auflösung erzielt (bezogen auf dieselbe Bildbreite). Besonders auffällig ist der Qualitätsgewinn bei diagonalen, fein aufgelösten Strukturen wie Brückenpfeiler, Schwenks über Fensterfronten etc. Neben der höheren Auflösung verbessert sich auch die Lichtausbeute, weil keine schwarzen Balken bzw. im Fall von 2,35:1 geringere schwarze Balken auf dem 4:3-Panel eingefügt werden müssen. Kleiner Haken: Die ISCO-Linse kann mit einem normalen DVD-Player nur dann ausgenützt werden, wenn anamorphes DVD-Material vorliegt.
 



SIM2-DLP mit ISCO-II-Linse und Stativ




Nicht-anamorph sind grundsätzlich alle Filme, die im 4:3-Format vorliegen.

Allerdings sind nicht alle DVDs im 4:3-Format rechts und links beschnitten wie man befürchten könnte. Manche sehr prominente Beispiel wie Kubricks ‚Eyes Wide Shut‘ oder ‚Shining‘ liegen im sogen. open matte format vor. Shining wurde zwar dem Kinopublikum im Format von ca. 1,66:1 gezeigt, gedreht wurde der Film aber im 1,33:1 Seitenverhältnis. Im Kino wurde bzw. wird entsprechend eine Metall-Maske in den Lichtstrahl eingefügt, so dass die entsprechenden Teile des Bildes oben und unten ‚mattiert‘ werden. Seinerzeit auf Video und dann auch bei der Veröffentlichung auf DVD wurde die Mattierung aber geöffnet, so dass die DVD nicht-anamorph im 4:3-Format transferiert wurde. Grund: Der Regisseur wollte das so! Es würde an dieser Stelle viel zu weit führen, was von der Entscheidung zu halten ist und welche Gründe Kubrick dafür hatte (Stichwort: Keine schwarzen Balken bei der Darstellung auf einem 4:3-Standard-Fernsehbildschirm). Ein weiteres prominentes Beispiel in diesem Zusammenhang ist Titanic, das zwar im Cinemascope-Format von 2,35:1 vorliegt, aber nicht anamorph gemastert worden ist. Die entscheidende Frage, um die es hier geht, ist nun: Wie lässt sich die fehlende hohe Auflösung, die durch eine anamorphe Umsetzung von Shining oder Titanic geboten würde, auf irgendeinem Umweg realisieren? Die Problemlösung ist klar, man benützt einen gut abgestimmten und mit entsprechenden Zusatzprogrammen (vgl. AV 2/02) ausgestatteten Heimkino-PC um manuell im Nachhinein eine Art ‚Anamorphisierung‘ durchzuführen.

Freilich muss man sagen, dass Detailinformationen, die beim Prozess des Masterings her geschenkt wurden, strenggenommen nicht nachträglich dazu erfunden werden können. Allerdings trifft dieses Gegenargument ‚Detail, das gar nicht vorhanden ist!‘ gar nicht den Kern der Sache.

Entscheidend ist: Kein digitales Display entspricht der Auflösung, die auf der DVD vorliegt. Es muss immer durch einen komplexen Skalierungsprozess von der auf DVD vorliegenden Information auf die Pixel des digitalen Displays umgerechnet werden. Ein Graphikchip wie der Radeon von ATI kann hier wahre Wunder bewirken. Durch die positive oder negative Interpolation werden Zwischenpunkte berechnet, die die Übergänge glätten. Feine Linien werden besser dargestellt. Dies ist auch der Grund, warum mehr Pixel nicht immer einen Vorteil darstellen. Auch bei aktuellen Plasmabildschirmen lässt sich ein solcher Mangel beobachten. Bildschirme mit höherer Auflösung weisen oft ein mangelhaftes Bild auf. Der Grund ist ganz einfach: Der Scaler ist unzureichend! Ist der Scaler allerdings gut oder sogar hervorragend wie beispielsweise in Gestalt eines Heimkino-PCs, dann lassen sich sogar wahre Kabinettsstückchen vorführen. Durch geschicktes Interpolieren werden nicht nur Skalierungsfehler vermieden. Es kann auch im Nachhinein eben eine Art Pseudo-Anamorphisierung vorgenommen werden, wodurch keine (bzw. deutlich geringere im Fall von 2,35:1) schwarzen Balken auf dem 4:3-Panel akzeptiert werden müssen.

Hier nun die Lösung des Problems der nicht-anamophen DVDs für Besitzer einer ISCO-Linse und eines Heimkino-tauglichen PCs. Der PC sollte — wie gesagt - vor allem über die richtige Graphikkarte verfügen (neben einem Radeon wäre auch ein GeForce akzeptabel).

Standard-Software-Player wie WinDVD oder PowerDVD ermöglichen es, DVDs bereits auf mittelmäßig schnellen PCs abzuspielen. Man hat die Möglichkeit, die DVD im korrekten Seitenverhältnis auszugeben oder aber anamorph gestreckt. Ist die DVD nicht-anamorph gemastert, hilft die Zusatzsoftware YXY weiter. Wir haben in der Vergangenheit häufig darauf hingewiesen, dass mit einem Heimkino-PC

pixelweise Kontrolle über das DVD-Bild möglich ist. Der hier geschilderte Einsatz ist ein weiteres Beispiel für die praktische Nützlichkeit des Kino-PC.

Mit Hilfe von YXY ist es möglich, ein Bild sowohl proportional zu vergrößern als auch zu verkleinern. Wählt man die Option Seitenverhältnis beibehalten in den Einstellungen von WinDVD ab, so lässt sich das Bild auf Wunsch ausschließlich in vertikaler Richtung ausdehnen. Dadurch lässt sich ein nicht-anamorphes Bild, das durch eine ISCO-Linse gestaucht wird, wieder auf die korrekte Höhe bringen. Nach erfolgreicher Anwendung der vertikalen Streckung kann die Einstellung beispielsweise unter dem Namen ISCO in YXY abgespeichert werden. Ergebnis: Das ganze Panel wird gefüllt, dadurch ergibt sich eine höhere Lichtausbeute. Außerdem erscheinen feine, vor allem diagonale Strukturen durch die positive Interpolation besser aufgelöst. Gerade bei Titanic mit den vielen Schiff-Relings und Geländern ist das Ergebnis mit ISCO-Linse und künstlicher Anamorphisierung verblüffend.

DVDs, die im sogenannten open matte Verfahren gemastert wurden, brauchen nun nicht einfach durch schwarze Balken auf das Filmtheater-Format gebracht werden. Durch das vertikale Strecken werden die im Filmtheater abgeschatteten Bildteile einfach aus dem Panel ‚hinausgeschoben‘ und danach wird das gesamte Bild durch die ISCO-Linse wieder ins richtige Seitenverhältnis gebracht.

Beim ZOOM-Player von Blight ist die Funktionalität von YXY bereits hervorragend integriert. Wichtig ist, bei den Einstellungen ‚Fit to fill window‘ bzw. ‚Zoom Height‘ zu wählen. Danach lässt sich dann die Höhe mit dem Laufrad einer entsprechenden Maus in Sekundenschnelle anpassen. Am besten man macht die Einstellung einmal an einem nicht-anamorphen Film im 1,78:1-Format, danach lässt sich die Einstellung im Preset abspeichern und dann ohne Orientierungsprobleme auf 1,33:1 sowie auf nicht-anamorphe 2,35:1-Quellen (die allerdings selten sind) anwenden.


Wenn man die DVD-Captures von Nicole Kidman (Eyes Wide Shut, EWS) und Tommy Lee Jones (Black Moon Rising) miteinander vergleicht, bemerkt man den fehlenden ‚headroom‘ über Jones. Das ist ein Hinweis darauf, dass EWS im Kino mit einer Maskierung im Bild oben und unten gezeigt worden ist. Um nun im Heimkino die volle Auflösung eines 4:3-Panels mit einer ISCO-Linse ausnutzen zu können, geht man am besten wie folgt vor: Man dehnt das Bild bzw. genauer gesagt das Panel (am besten per ZOOM) in der Breite soweit, bis es die ganze Leinwand in horizontaler Richtung füllt. Danach muss vertikal soweit gestreckt werden bis ein Verhältnis von 1,78:1 (z.B. im Fall von EWS) bzw. 2,35:1 (z.B. für Titanic) erreicht ist.

Christoph Lehner
Berlin
Tel.: 030 49766891

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